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Walli Wu



 
Walter Wust offline
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Betreff: Re: Walli Wu  -  Gepostet: 10.03.2019 - 11:30 Uhr  -  
Hi @ All,

Ich ging erst garnicht an Land, obwohl einer der Decksmänner soll dort ein "Wahnsinnsweib" aufgerissen haben und sogar rein aus "Liebe". Hätte ich dem Typen garnicht zugetraut, zumindest an Bord machte er den Eindruck, als könne er kein Wässerchen trüben. Der "krönende" Abschluss war dann Belem, aber ich hatte keinen Bock auf einen Cachaca Rausch. Der Scheich wollte mich zwar unbedingt nochmals mit an Land zerren, aber ich hatte von der Reise davor noch genug, also wählte er den Storekeeper aus, der wollte zwar erst auch nicht, ließ sich aber vom Scheich bequatschen. Dafür waren Beide am nächsten Morgen sterbenskrank und irgendwie spürte ich eine innere Schadensfreude. In London wurden wir Alle abgelöst, allerdings waren wir schon von Bord, bevor die Ablösung eintraf. Wir, das waren die Decks- und Maschinencrew, außer den "Streifenträgern". Auch der Koch und der Steward blieben noch ein paar Tage.In Hamburg holte ich mir die paar Kröten im Kontor, die nach drei Reisen "Lebenslust" noch übrigwaren und quartierte mich wieder im "weißen Schloss" ein. Diese Entwicklung mit den Containern ging mir nicht aus dem Kopf. Den Schiffen sah man zu dieser Zeit noch nicht an, wie es mal weitergehen sollte, aber es gab kaum noch einen Hafen, wo sich nicht in irgendeiner Ecke die leeren "Schachteln" stapelten. Was nützen all die "guten" Häfen, wenn man nur ein paar Stunden Liegezeit hat und selbst in diesen paar Stunden an Bord bleiben muß, um das Ladegeschirr zu riggen oder die Ladung klarzumachen. Ich war jetzt zehn Jahre in diesem Beruf tätig und selbst wenn mal alles an Bord nur Scheiße war, so konnte man sich damit trösten, daß im nächsten Hafen der ganze Schlamassel vergessen war. Zudem fiel immer mehr auf, daß nur noch von Einsparungen die Rede war. Farbe war inzwischen fast so kostbar wie Beamtenschweiß und der Scheich mußte für jeden Pinselstrich eine Eidesstattliche Erklärung abgeben. Auf manchen Schiffen wurden schon die Wurstscheiben für die Aufschnittplatte abgezählt. Alles lief in eine Richtung, die das Bordleben immer weniger erstrebenswert erscheinen ließ. Dann dieses Ausflaggen. Zum Glück war ich nur mir selbst verantwortlich, aber es gab ja genug deutsche Seeleute, die eine Familie ernähren mussten, die sonstige finanziellen Verpflichtungen eingegangen sind und dadurch auch verletzbarer waren. Immer wenn ich solche Gedanken hatte, machte mir überhaupt nichts mehr Spaß. Ich saß bei Lotti am Tresen und nuckelte an einem Bier ohne daß es mir schmeckte und das ganze Gelaber am Tresen ging mir fürchterlich auf die Nerven. Dann kam auch noch Rosie in die Kneipe. Scheinbar hatte Lotti ihr von meiner Ankunft berichtet und sie dachte wohl, mir mit ihrem Erscheinen eine Freude zu machen. Aber wie gesagt, in dieser Stimmung machte mir nichts Freude und ich konnte ihre Enttäuschung sehen und bat sie, mich einfach zu ignorieren. Ich ging ohne weitere Worte auf mein Zimmer, legte mich aufs Bett und wachte erst spät nach Mitternacht auf, um mich endlich auszuziehen und richtig schlafen zu gehen sten Morgen fühlte ich mich, wie durch einen Reißwolf gedreht. Es fiel mir unendlich schwer aufzustehen und unter der Dusche drehte sich alles im Kreis. Im Spiegel erkannte ich mich kaum wieder, ich sah aus wie nach drei Wochen Sankt Liderlich. Irgendwie schaffte ich es, mich anzuziehen und zu Lotti zu marschieren. Den Kaffee ließ ich dann aber nach einem kleinen "Probeschluck" stehen und marschierte zum Arzt. Dort kam ich patschnass geschwitzt mit 39 Grad Fieber und Zähneklappern an und eine Stunde später lag ich im Hafenkrankenhaus. Ich kam gleich in die "Geschlossene" und wurde als Erstes meine ganzen Klamotten los. Auch das Zimmer im Seemannsheim kam unter Verschluss und alle meine Sachen kamen zum Desinfizieren. Nachdem man beim Aufnahmegspräch erfahren hatte, wo ich in den letzten Monaten gefahren bin, hat man mich gleich auf Malaria untersucht. Blut und Urin wurden ins Bernhard-Nocht-Institut zur Untersuchung gebracht und ich bekam erstmal eine Infusion nach der anderen. Inzwischen war ich so schwach und benebelt, daß ich von All dem kaum noch was mitbekommen habe.

moin WalliWu
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Dieser Post wurde 2 mal bearbeitet. Letzte Editierung: 10.03.2019 - 15:15 Uhr von Walter Wust.
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Walter Wust offline
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Betreff: Re: Walli Wu  -  Gepostet: 11.03.2019 - 10:56 Uhr  -  
Hi @ All,

. In meinem jetzigen Zustand war mir das allerdings sch....egal, mir gings einfach saumäßig. Ich lebte sozusagen vom "Schlauch in den Mund". Ein paar Tage war es nicht sicher, ob ich nochmal lebend aus dem Zimmer komme. Fast eine Woche ging es mir ganz dreckig, dann schien die Sonne wieder ins Zimmer, zumindest sah ich sie zum erstenmal wieder als solche. Die Schläuche kamen weg und ich durfte etwas "feste" Nahrung zu mir nehmen und vor Allem musste ich viel trinken. Irgendwann tauchte dann Rosie an meinem Bett auf, mit Plastikumhang und Mundschutz stand sie vor meinem Bett und litt mehr als ich. Sie hatte schon mehrfach versucht, mich zu besuchen, aber als nicht mit mir verwandte Person durfte sie mich erst jetzt, wo es mir etwas besser ging, besuchen.Die nächsten drei Wochen blieb ich im Hospital, hauptsächlich darum, weil ich im Seemannsheim nicht betreut werden konnte. Es ging mir wechselweise mal einen Tag relativ gut, am nächsten Tag bekam ich einen Anfall mit Schüttelfrost und Übelkeit und was sonst noch das Leben "verschönert". Am Schlimmsten waren die Erstickungsanfälle, vor denen hatte ich richtig Schiß. Nach drei Wochen wurde ich zur Nachbehandlung nach Jesteburg, in das Klinikum "Rüsselkäfer" verlegt. Dort lagen hauptsächlich Tuberkulosekranke, aber auch alle sonstigen Fälle von Atemwegserkrankungen. Ich war der Einzige, der wegen Malaria dort war. Was sofort im "Rüsselkäfer" auffiel, war das ausgezeichnete Essen. Zum Frühstück gab es schon ein großes Büffet, zwischen Frühstück und Mittag eine kleine Zwischenmahlzeit, ähnlich dem Teatime an Bord, zu Mittag eine Auswahl zwischen mindestens drei bis vier Gerichten, zum Kaffee nochmals ein Kuchenbüffet mit allen erdenklichen Leckereien und dann zum Abendbrot nochmals ein riesiges Büffet mit Wurst und Käseaufschnitt, verschiedenen Schinkensorten, Meeresfrüchten und zusätzlich wahlweise Warmgerichte wie Bauernfrühstück, Gulaschsuppe oder Bratfisch. So abgemagert wie ich dort eingeliefert wurde, war das natürlich der ideale Ort, mich wieder aufzupäppeln. Es war eine fast private Sphäre und Ruhe war die erste Bürgerpflicht. Die Klinik lag inmitten eines kleinen Waldgebietes und Dutzende Wanderwege luden dazu ein, die gerade angefressenen Kalorien wenigstens teilweise wieder abzustrampeln. Einmal die Woche war Besuchstag, Mittwochs für Station A und Sonntags für Station B. Ich lag auf Station A und gleich am ersten Mittwoch hatte ich Rosie zu Besuch. Ich hatte keinerlei Verwandte in Norddeutschland und so war Rosie meine einzige Verbindung zur "Außenwelt". Sie konnte mir auch ein paar Klamotten besorgen, denn für längere Klinikaufenthalte war ich absolut nicht ausgestattet. Zwischenzeitlich hatte ich auf dem Kontor angerufen, wollte ich doch wissen, ob es außer mir noch weitere Kollegen erwischt hatte. So wie es aussah, war ich der Einzige, den es erwischt hatte. Der Bootsmann hatte sich dort nach meinem Verbleib erkundigt, aber zu diesem Zeitpunkt wusste auf der Reederei niemand, wo ich abgeblieben war, nur daß ich ins Hafenkrankenhaus musste.Immer wenn ich nach einem Entlassungstermin fragte, tat der Chefarzt sehr geheimnisvoll. Es stünden da noch einige Ergebnisse aus und man befürchte einen Rückfall. Immerhin fühlte ich mich inzwischen wieder kerngesund und das gute Essen hatte längst nicht mehr diese Wirkung wie am Anfang. An Medikamenten bekam ich noch die volle Dröhnung, obwohl ich schon seit Wochen keinen Malariaanfall mehr hatte. Ich entwickelt mich so langsam zu einem unangenehmen, ungeduldigen Patienten. Wahrscheinlich nur um mich bei Laune zu halten, durfte ich für ein Wochenende die Klinik verlassen. Ich nahm mir gleich in Jesteburg ein Zimmer und verbrachte mit Rosie das ganze Wochenende fast nur im Bett. Jetzt merkte ich erst, daß mich die Malaria ganz schön Substanz gekostet hat und ich war fast froh, daß ich am Montag wieder in die Klinik zurück konnte. Inzwischen bekam ich noch eine "Aufbau-Therapie", hauptsächlich auf körperliche Fitness ausgelegt, aber es gab auch einen "Seelenklempner", mit dem ich anfangs erst nichts auf die Reihe kriegte, aber so nach und nach fanden wir einen gemeinsamen Nenner. Dann hatte ich nochmals einen Rückschlag. Total aus heiterem Himmel bekam ich plötzlich Schweißausbrüche und Schüttelfrost und konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Es war, als würde ich in ein Wellental sacken.

moin WalliWu
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Dieser Post wurde 1 mal bearbeitet. Letzte Editierung: 11.03.2019 - 11:03 Uhr von Walter Wust.
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Walter Wust offline
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Betreff: Re: Walli Wu  -  Gepostet: 15.03.2019 - 12:48 Uhr  -  
Hi @ All,

Ich kam sofort wieder auf Station und der ganze Zirkus mit Infusion und Atemhilfe fing von vorne an. Es war gerade Besuchstag, aber Rosie wurde wieder weggeschickt. Ich war so weggetreten, daß ich davon eh nichts mitbekam. Am nächsten Tag gings mir wieder etwas besser und der Chefarzt kam auf mein freies Wochenende zu sprechen, vor Allem, ob ich mich körperlich sehr angestrengt hätte. Ich sagte, daß ich das ganze Wochenende mit meiner Freundin im Bett verbracht hatte und da war ihm alles klar. Mein Immunsystem war noch nicht so weit und ich müsse mir einfach mehr Zeit lassen, oder aber diese Anfälle kommen in immer kürzeren Abständen wieder. Man hatte auch wieder Blutproben ans Bernhard-Nocht-Institut geschickt und nach einer Woche kamen die Ergebnisse. Daraufhin bekam ich ein neues Präparat, ein wahrer Hammer, der einem richtig High machte.An meinem Geburtstag kam Rosie mit Lotti und sie brachten mir ein Ständchen. Es ging mir gut, die Medikamente wirkten besser als die Vorherigen und es hieß, ich könne zu Weihnachten entlassen werden. Das waren zwar noch drei Wochen hin, aber es war immerhin ein Termin, wenn auch eher unverbindlich. Von zu Hause hatte ich inzwischen auch Post bekommen, wahrscheinlich steckte Rosie dahinter, denn ich selbst hatte mich garnicht gemeldet. Ich wusste, daß man mich nur unter großem Aufwand hätte besuchen können und den Stress wollte ich keinem meiner Eltern antun, zumal sie mir sowieso nicht hätten helfen können und sich nur unnötig aufgeregt hätten. Ich habe auch geantwortet, daß mir im Moment jeglicher Besuch untersagt sei und mich nur aufregen würde, schon um ihr Gewissen zu beruhigen. Im Foyer des "Rüsselkäfer" gab es ein Cafe und Lotti organisierte einen Tisch und eine große Kanne Kaffee und servierte dann ihren selbstgebackenen Geburtstagskuchen. Er war mit ein paar Kerzen dekoriert und alles sah sehr feierlich aus. Die beiden Mädchen gaben sich wirklich alle Mühe, mir den Tag unvergesslich zu gestalten. Eigentlich mag ich meinen Geburtstag garnicht feiern, aber diesmal war ich gerührt und ich konnte es garnicht glauben, als die Besuchszeit zu Ende war, so schnell war dieser Nachmittag rumgegangen. Zwei Tage vor Heilig Abend konnte ich die Klinik verlassen. Mein Zustand war inzwischen stabil und ich hatte keine Anfälle mehr. Rosie kam um mich abzuholen. Wir fuhren gleich zum Hauptbahnhof nach Hamburg. Meine Mutter hatte sich an Rosie gewandt, mit der Bitte zusammen mit mir nach Baden-Baden zu kommen und gemeinsam Weihnachten zu feiern.Dies hatte Rosie mir bei ihrem letzten Besuch mitgeteilt und mich so herzzerreißend gebeten, meiner Mutter diesen Wunsch zu erfüllen, daß ich mir wie ein Schuft vorgekommen wäre, dies abzulehnen. In einem Schließfach am Hauptbahnhof war ein Koffer mit Rosie's Klamotten und so waren wir startklar für die Weihnachtsreise. Leider waren wir mit dem Fahrkartenkauf etwas spät, so konnten wir weder einen Schlafwagen noch überhaupt einen Platz reservieren, außer bei der 1. Klasse, was wir dann auch taten. Es war eine richtig gemütliche Bahnfahrt, mit kurzen Unterbrechungen im Speisewagen.Es war schon spät als wir in Baden-Oos ankamen. Natürlich wurden wir abgeholt und meine Mutter erkannte Rosie sofort, obwohl sie nur telefonisch mit ihr Kontakt hatte. Es lag Schnee und die Fahrt nach Ebersteinburg war wie ein Wintermärchen. Offiziell hatte der "Hirsch" schon geschlossen, aber das Personal hat darauf bestanden, bis zu unserer Ankunft im Lokal zu warten. Polizeistunde war lange vorbei, als dann die Letzten endlich den Heimweg antraten. Über Weihnachten war das Lokal geschlossen und bis auf ein paar Hausgäste war kein Service angesagt. Außer mir waren noch meine drei Schwestern da, zwei davon Teenager die ganz schön zickig waren. Nach all den Weihnachten auf See, war es schon was Besonderes, mal wieder einen Christbaum zu Hause zu schmücken. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, Rosie fügte sich in die Familie ein, als würden wir schon seit Jahren zusammen leben. Sie half meiner Mutter in der Küche und sah sofort, worauf es jeweils ankam. In unserer Familie schenkt man sich zu Kirchenfesten höchstens eine Kleinigkeit. Man isst gemeinsam, singt und ist fröhlich und diese Gemeinsamkeit ist schon Geschenk genug. Ich habe schon erlebt, daß es Tränen gab, weil das falsche Geschenk unterm Weihnachtsbaum lag.In der Verwandtschaft wäre es deswegen fast zu einer Scheidung gekommen. Wir trennten notwendige Anschaffungen wie Unterhaltungselektronik, Fotoapparate, Kleidung etc. als mögliches Geschenk und setzten dafür eine Art Bonus fest. Wer den Wunsch äußerte, ein ganz bestimmtes Gerät kaufen zu wollen, momentan aber nicht über die finanziellen Mittel verfügte, besorgte sich alle relevanten Daten über den gewünschten Artikel und gemeinsam wurde beraten, ob und gegebenenfalls wann das Gerät angeschafft wird und welche Leistung damit verbunden ist.Das ersparte manche Enttäuschung. Am 24sten Dezember nachmittags fing es an zu schneien und es hörte nicht wieder auf. Richtig große feste Flocken und nach kurzer Zeit Hatten wir eine geschlossene Schneedecke, die immer höher wurde. Weiße Weihnachten, für Viele eine Freude, ist im Gasthof erst mal eine Menge Mehrarbeit, müssen doch alle Eingänge und Zufahrten frei sein. Wir hatten einen kleinen Traktor mit Schneeschild und damit ging das Räumen relativ einfach, zumindest solange noch genug Platz für den Schnee war. Ansonsten wurde der Schnee auf einen Anhänger geladen und in der "Wolfsschlucht" abgekippt. Nachdem ich fast zwei Stunden Schnee geschoben hatte und es auch schon recht dunkel war, konnte "unser" Heilig Abend beginnen. Nach der Bescherung gingen wir gemeinsam zur Christmesse, ich bin zwar aus der Kirche ausgetreten, liebe aber die Atmosphäre an solchen Tagen, vor Allem in der katholischen Kirche. Rosie war zum ersten Mal in einer katholischen Kirche und staunte nur über diesen Prunk und die festliche Dekoration. Nach der Kirche, es schneite immer noch, machten wir einen Waldspaziergang in den nächtlichen Winterwald bis zur Ebersteinburg. Es war schon nach Mitternacht, als wir wieder zu Hause eintrafen. Es war noch etwas Punsch übriggeblieben und so setzten wir uns in die Stube und hörten Orgelmusik aus der "Konserve". Es war so schön kuschelig warm, daß wir beide einschliefen und erst früh am Morgen von Mutter geweckt wurden, die uns entdeckte, als sie das Frühstück für die Hausgäste bereiten wollte. Natürlich halfen wir ihr dabei und als Mutter mit mir alleine in der Küche war, meinte sie verschmitzt, sie könne sich Rosie durchaus als Schwiegertochter vorstellen. Meine Antwort, der jetzige Status wäre mir durchaus nicht unangenehm, schien sie nicht recht zu befriedigen. Natürlich erwartete sie, daß mich eine Ehe fortan an Land fesseln würde, etwas, das ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte und auch nicht mochte. Meine um zwei Jahre jüngere Schwester fand, Heilig Abend wäre ein guter Anlass gewesen, meine Verlobung mit Rosie bekannt zu geben.Ehrlich gesagt, mit dem Gedanken an Verlobung hatte ich seit Jesteburg schon öfter gespielt, Rosie alleine wäre auch kein Problem gewesen, allerdings der Gedanke an den Rest ihrer Familie ließ mich da jedesmal innehalten. Meine Mutter hielt nichts von Sippenhaft, andererseits fand sie die Idee eines "Familienstammtischs" auch nicht berauschend. Zwischen Weihnachten und Neujahr half Rosie mit im Lokal und war wirklich eine große Hilfe, zumal bei den Vorbereitungen zum "Sylvesterball", ein Ereignis das alljährlich mit Tanzkapelle und Tombola im großen Saal stattfand und Gäste aus der ganzen Umgebung anzog. Wegen des großen Andrangs wurden schon Wochen vorher Plätze reserviert und auch dieses Jahr waren schon vor Beginn der Veranstaltung alle Plätze ausverkauft. Für Nachzügler gab es noch die Möglichkeit im kleinen Saal oder direkt im Lokal Platz zu nehmen, allerdings ohne Blick auf die Kapelle. An solchen Tagen war die ganze Familie im Service involviert und auch das Küchenpersonal wurde verstärkt. Meine Mutter war da jedesmal total aufgeregt und heilfroh, wenn der ganze Zauber wieder vorbei war.Die Erwartungen der Gäste waren auch jedesmal sehr hoch, hatte es sich doch herumgesprochen, daß im Hirsch immer sehr gute Musik gespielt wurde und die Preise normal blieben. Nur wegen der Kapelle wurde eine Platzgebühr erhoben, der aber bei Weitem deren Kosten nicht abdeckte. Es gab Lokale im Umkreis, die solche Veranstaltungen aus Kostengründen ablehnten, aber für meine Mutter gehörten solche Events zum Gaststättenbetrieb, auch wenn der Aufwand in keinem Verhältnis zu den Einnahmen stand.

moin WalliWu
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Dieser Post wurde 1 mal bearbeitet. Letzte Editierung: 15.03.2019 - 13:29 Uhr von Walter Wust.
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Castlestone offline
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Betreff: Re: Walli Wu  -  Gepostet: 15.03.2019 - 14:25 Uhr  -  
Moin.
Das war ja ein romantischer Abschnitt aus WWs turbulenter Seefahrtszeit. :love:
Gruss
Castlestone
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Walter Wust offline
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Betreff: Re: Walli Wu  -  Gepostet: 16.03.2019 - 11:47 Uhr  -  
Hi @ All,

Hauptsache es blieben schwarze Zahlen übrig. Rosie bediente im Saal und war ganz stolz auf ihr Trinkgeld, für das sie aber auch ganz schön rennen musste.Ich hatte mich festgelegt, ab Mitte Januar wieder nach Hamburg zu fahren. Die Gesundheitskarte musste erneuert werden, eine gute Gelegenheit für einen General-Check. Es juckte mich in allen Nervenspitzen, ein sicheres Zeichen, daß ich mal wieder Seeluft schnuppern musste. Natürlich stieß ich da bei allen Grazien auf völliges Unverständnis, war ich doch zum Hahn im Korb gekürt und was konnte reizvoller sein, als jeden Wunsch von den Augen abgelesen zu bekommen? Das Problem, ich war kein Hahn sondern ein Seemann. In Baden gibt es zu Fasching oder Fasnacht eine Besonderheit, das Schnurren. Es ist so eine Art Weiberfasnacht, die schon vier Wochen vor der eigentlichen Fasnacht beginnt und wo an jedem Wochenende abwechselnd von Gaststätte zu Gaststätte Tanz und Narretei angesagt sind. Meine Mutter hatte gehofft, für diese Zeit zusätzliche Hilfe Hilfe durch uns zu haben. Rosie wollte zwar mit mir nach Hamburg kommen, aber ich konnte sie bewegen, noch diese vier Wochen im Gasthaus Hirsch zu helfen. Es fiel ihr sichtlich schwer mich allein nach Hamburg fahren zu lassen, andererseits wollte sie aber auch meine Mutter nicht enttäuschen. Ich fuhr Sonntagnacht los und kam früh morgens in Hamburg an. Erst quartierte ich mich im Seemannsheim ein, dann gleich nach dem Duschen gings ab zur Reimerstwiete. Als ich meine Akte sah, bekam ich erst leichte Zweifel, ob man mir die Gesundheitskarte nochmals aushändigen würde. Die Untersuchung lief ganz gut, außer einer leichten Reflexverzögerung gab es nichts zu meckern und ich konnte mich wieder bei Max melden. Aber erstmal schaute ich bei Lotti rein und hatte Glück, sie war auf Spätschicht. Natürlich musste ich ihr haarklein erzählen, was so alles gelaufen ist, wie es an Weihnachten war und wieso Rosie nicht wieder mitgekommen ist. Man glaubt ja nicht, was Frauen alles wissen müssen, wenn sie einem ein paar Tage nicht gesehen haben. Als ich Lotti von der Reaktion meiner Schwester erzählt habe, von wegen Verlobung an Weihnachten, haute sie sofort in die gleiche Kerbe. So ein Mädchen würde ich nie wieder finden und was ich mir wohl einbilde, sie so hängen zu lassen. Ich sagte leicht verärgert, wenn sie nicht aufhören würde auf mir rumzuhacken, würde ich schwul werden und dann könne sie sich alle Rosies dieser Welt an die Brust nageln.Lotti meinte, wenn sie mir ein Anderer wegschnappt, sei ich selbst schuld, aber dann solle ich mich bitteschön nicht bei ihr ausweinen. Sie war eingeschnappt und bevor sie mir noch den Kaffee vergiftet, zog ich es vor, bei Max reinzuschauen. Es war kurz vor Feierabend und ich wollte auch nur die "Gesinnung" prüfen. Max grinste wie immer (dreckig) als er mich sah. Nach den üblichen Floskeln sah er auf die Uhr und meinte dann ganz trocken, für Heute sei es schon zu spät, aber gleich morgen früh wolle er nach einem Lazarettschiff für mich Ausschau halten. Er meinte, ich solle es die Nacht nicht übertreiben, er hätte da was für mich. Na das war doch schon mal was, gut gelaunt setzte ich mich in die U-Bahn und fuhr zum Hauptbahnhof um dann die paar Meter zur "Rubin-Bar" zu laufen. Alles neue Gesichter. Ein Bananenjäger von Laeisz lag im Hafen und die halbe Besatzung ließ die Kneipe hochleben. Ich dachte an die ermahnenden Worte von Max Timm und ließ mich erst garnicht in die Orgie einbinden. Ich trank einen Cuba libre zu Ehren der Nutten von Puerto Limon, aber alle Nutten sämtlicher Bananenhäfen wollte ich an diesem Abend nicht ehren. So schlich ich mich von dannen, schaute nochmal kurz in Störtebeker, traf dort einen ehemaligen Schauermannskollegen von Rohrdantz, der bekam ein paar doppelte "Hühnerfutter" von mir und schlief dann auch brav am Tresen ein und ich ging dann Richtung "Weisses Schloss", meinen "Schönheitsschlaf" halten. Am nächsten Morgen kam ich frisch wie ein Märzenveilchen bei Max an und bekam gleich einen Heuerschein für die "Learina". Sie fuhr noch eine Reise Ostküste Staaten und sollte dann auf "Goße-Seen-Fahrt". Ich war ja ein wenig enttäuscht, so geheimnisvoll wie Max tat, hatte ich schon Japan und Südsee im Hinterkopf, aber irgendwie hielt Max mich wohl nicht "ostasientauglich". Außerdem war dieses Fahrgebiet überwiegend HAPAG und NDL vorbehalten, zwei Reedereien die ich einfach nicht fahren wollte, warum weiß ich selbst nicht genau, rationale Gründe gab es dafür nicht.Genausowenig, wie ich es grundsätzlich ablehnte auf einem "Musikdampfer" anzuheuern, konnte ich meine Aversion gegen die "Drill- und Edelreedereien" wirklich erklären. Vielleicht waren es die Stories von all den Mätzchen, die da zwischen Mittschiffs und Achtern so im Umlauf waren. da waren herkömmliche Reedereien sowas wie "Schmuddelkinder", die mit Dreck unter den Fingernägeln in den Puff gingen. Irgendwie zog ich die Zugehörigkeit zu Letzteren vor.Ich hatte noch zwei Tage bis ich an Bord musste, als ein dringender Anruf von meinem Vater einkam. Er war heilfroh, daß ich noch an Land war und bat mich, unbedingt so schnell wie irgend möglich nach Hause zu kommen. Mein Vater musste wegen einer alten Kriegsverletzung ins Krankenhaus und zwar für längere Zeit und brauchte dringend Jemanden, der sein Geschäft weiterführte. Das große Problem war nur , daß sich alle Geschäftsunterlagen in seinem Kopf befanden. Mein Vater hasste Bürokratie und seine Ablage waren mehrere Kartons, so ca. alle zwei Monate ein Karton, die ein bis zweimal von einer Buchhaltungskraft eingesehen und fürs Finanzamt gelistet, (kontiert) wurden. Diese Person stand jedesmal kurz davor, schreiend aus dem Büro zu entfliehen, aber irgendwie brachte ein Sonderbonus, so eine Art Schmerzensgeld, sie dazu, die Arbeit zu beenden. Für kurze Zeit gab es mal eine Büroangestellte, eine resolute Person, die es fast geschafft hätte, Ordnung in das "System" zu bringen, aber dann war es meinem Vater doch zuviel des Guten. Den genauen Grund für die Kündigung erfuhr ich nie, jedenfalls hatte sie das Handtuch geworfen und war durch nichts zu bewegen, auch nicht stundenweise, den Job nochmals aufzunehmen. Mein Vater und ich hatten von jeher ein recht angespanntes Verhältnis, trotzdem würde ich ihn niemals "hängenlassen". Ich also zu Ahrenkiel und meine Heuer rückgängig gemacht. Dort war man nicht gerade begeistert, andererseits war man froh, daß ich wenigstens Bescheid gegeben habe, das war durchaus nicht selbstverständlich. Also ab nach Hause, mal sehen was da auf mich wartet.Bei Muttern wusste niemand von der Entwicklung und das war ganz in meinem Interesse. Ich habe mit meinem Vater ein System vereinbart, das sowohl trotz meiner Unwissenheit in Bezug auf seine Geschäfte, der Laden weiter lief und er immer auf dem Laufenden war. Nach ein paar Wochen wurde er dann auch entlassen, nicht weil er geheilt war, sondern weil er mitt seiner Sturheit und seinem Dickschädel alle Angebote der Chirurgen abblockte. Nachdem Vater wieder zu Hause war, packte ich meinen Seesack und fuhr nach Hamburg. Direkt vom Bahnhof gings zum Heuerstall und tatsächlich hatte Max einen recht neuen Frachter, die "Diederika Wiards", fuhr für Delmas in Charter Westafrika. Ein für dieses Fahrtgebiet ungewöhnlich großes Schiff, das wenig später verkauft und in der Containerfahrt eingesetzt wurde, nachdem das Ladegeschirr wieder abgebaut war. Wir hatten auch nur zwei-drei Afrikahäfen, mit Containern von Frankreich und mit Holz zurück.Auf der zweiten Reise rutschte ich auf einem nassen Baumstamm aus und stürzte so unglücklich an Deck, daß ich mir das Schlüsselbein und zwei Finger brach. Es ging dann per Flieger zurück nach Hamburg und vier Wochen ins Hafenkrankenhaus, weil sich in der Bruchwunde Bakterien eingenistet hatten und die waren weit gefährlicher als der Knochenbruch. Ich kam also mal wieder in die septische Abteilung, Gott sei Dank nicht unter "Verschluss". Diesmal ließ sich Rosie nicht blicken, obwohl man im "Weißen Schloss" wusste, daß ich im Krankenhaus bin. Ein Seemann, der mit mir auf der Station lag, aber nur ein paar Tage später entlassen wurde, hat meine Anwesenheit im Hospital dort im Restaurant rumerzählt. Nach meiner Entlassung fuhr ich erstmal wieder nach Hause und schmollte vor mich hin. Damit die Zeit zu etwas nützlich ist, macht ich einen Test bei der VHS, um meinen aktuellen Wissensstand zu erfahren. Sollte ich mich tatsächlich für ein nautisches Patent entschließen, müsste ich dafür erstmal das Abitur nachmachen. Der Test fiel hundsmiserabel aus. Das alles nachzuholen, was mir an Wissen zum Abitur fehlte, hätte im günstigsten Fall zwei bis drei Jahre Schule bedeuted, ehrlich gesagt, dazu fehlte mir die Motivation. Gesundheitlich war ich wieder fit und so gings wieder ab zu Max Timm nach Hamburg.

moin WalliWu

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Dieser Post wurde 2 mal bearbeitet. Letzte Editierung: 16.03.2019 - 14:45 Uhr von Walter Wust.
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Silverback offline
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Betreff: Re: Walli Wu  -  Gepostet: 16.03.2019 - 19:14 Uhr  -  
Zitat
Außerdem war dieses Fahrgebiet überwiegend HAPAG und NDL vorbehalten, zwei Reedereien die ich einfach nicht fahren wollte, Genausowenig, wie ich es grundsätzlich ablehnte auf einem "Musikdampfer" anzuheuern, konnte ich meine Aversion gegen die "Drill- und Edelreedereien" wirklich erklären. Vielleicht waren es die Stories von all den Mätzchen, die da zwischen Mittschiffs und Achtern so im Umlauf waren.

Moin WalliWu,

das gesagt, können wir uns die Hand reichen. 8-) 8-)
Fuhr 1956 bis 1958 mit 3 Stinnes-Dampfern (Brenntag) auf Ostasien, wo wir oftmals gemeinsame Liegezeiten mit Hapag-Schiffen hatten. Wenn hintereinander an derselben Pier, gingen die Lästereien von Bord zu Bord schon los - die Einen in schmucker, einheitlicher Reedereikluft, wir in recht abenteuerlicher Arbeitskleidung, nicht immer sehr sauber. Unser Alter erhielt einen Beschwerdebrief vom Hapagdampfer-Kapitän, weil wir bei deren morgendlichen Flaggenparade gejohlt und gepfiffen hatten, und damit die deutsche Flagge im Ausland geschändet hätten (womit er ja recht hatte). An Land gingen wir dann auf Suche nach der Hapag-Crew, und als wir sie fanden, gab's Zoff! - Dieses Verhältnis änderte sich aber in keiner Weise, und das von Dampfer zu Dampfer: MS "Württemberg", MS "Westfalen", und MS "Glückauf".
(Viell. bin ich auch deshalb, oder wohl eher unbewusst, seltener auf "Seeleute suchen . . " zu finden. Du etwa auch?)

Gruß,

Silverback.
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